Jedes Jahr, inmitten der von zimterfüllten vorweihnachtlichen Zeit, verlieren wir uns in der Hektik der Weihnachten: Konsum, Konsum, Konsum- ich enthalte mich hier nicht. Wahrscheinlich bin ich der am schlimmsten dem Kapitalismus verfallene Mensch. Nun gut. Was schon immer so war, wird sich auch heute auf die Schnelle nicht ändern.
Es ist also der alljährliche zweite Dezembersonntag in diesem Jahr, 12 days to Christmas (sing sing sing-ich hoffe, ihr habt jetzt alle einen schrecklichen Ohrwurm) , Panik wegen des bevorstehenden Harten-Lockdowns, schnell noch die letzten Geschenke online kaufen und dabei höre ich die x-te Christmas Playlist auf Youtube- grad läuft- „Mele Kalikimaka“- soll auf hawaiianisch „Frohe Weihnachten“ heißen. Während ich also dieser Random ausgesuchten Liste zuhöre, versuche ich einige Gedanken zu fassen.
Es ist also schon wieder der zweite Dezembersonntag in diesem Jahr. Bis vor acht Jahren, war mir nicht einmal bewusst, dass dieser Sonntag jedes Jahr, für einige unserer Mitmenschen einen sehr besonderen Tag markiert. Es ist der weltweite Candle-Lighting Day- und obwol der Tag schon fast festlichen Charakter angenommen hat, hat er nichts mit einem spezifischen religiösen oder kulturellen Background zu tun. Worum geht es an diesem Tag, so ganz pragmatisch, praktisch:
Überall auf der Welt, wird um 19 Uhr abends eine Kerze ans Fenster gestellt, um den Verlust verstorbener Kinder zu gedenken. Dank der verschiedenen Zeitzonen weltweit, wird so außerdem gewährleistet, dass zu jedem Zeitpunkt und das 24 Stunden lang, eine Kerze zum Gedenken brennt- wie eine große lange Kette von Lichtern- ja, eine Gedenk-Lichterkette. Der Gedanke gefällt mir.
Es ist der zweite Dezembersonntag und vor acht Jahren erfuhr ich das erste Mal von diesem besonderen Tag. Ich lernte, durch eine Aneinanderreihung glücklicher Zufälle, einige Kinder aus der Kinder Onko im UKM Münster kennen. Nicht alle auf einmal, peut á peut traten sie in mein damals recht ungestümes Studentenleben. Ich habe nie nach solchen Begegnungen gesucht- ich in meiner ewigen Überzeugung, dass alles rosig und problemlos zu sein scheint- ich habe nie nach solchen Begegnungen gefragt oder sie gar initiiert. Auch wenn ich von Kindesbeinen an eine philanthropische Ader mit auf dem Weg bekam. Ich ging trotzdem gern blind durch die Welt- blind für den Schmerz, den andere Menschen um mich herum parallel zu meinem Leben erlebten und bevor hier die Besserwisser nun sprechen- JA-HA, ich weiß! Ich kann nicht alle retten oder gar allen helfen.
Der zweite Dezembersonntag im Jahr hat mich gelehrt, auch Mal gern von meinem egozentrischen Weltbild wegzuschauen und auch Mal auf die zu schauen, die eben alles außer ihrer Gesundheit hatten. Gott, wie gut es mir eigentlich geht! Mir fehlt es an nichts und meine Gesundheit, die habe ich noch. Warum nörgle ich immer rum? Warum ächze ich bei jedem Wehwehchen? Reiß dich zusammen Katerina, egal wie subjektiv dein Schmerz in dem Moment ist. Er ist nicht vergleichbar mit dem Schmerz des Verlustes. Und das soll nicht heißen, dass du kein Recht mehr hast deinen Schmerz kundzutun, aber ändere doch einmal nur die Sicht auf ihn, den Umgang mit ihm…denn eines kann ich euch sagen…
Es gibt keine magische Formel ein gebrochenes Herz zu heilen, die durch den Verlust eines Menschen entstandene Lücke zu füllen und das niederschmetternde Gefühl der Traurigkeit über den Verlust eines Kindes einfach so zu überwinden. Unabhängig vom Alter des Kindes und ob sein Tod erwartet oder unerwartet kam- die Trauerreise, die Eltern, Großeltern und Geschwister ertragen müssen und wohl oder übel antreten müssen, wenn uns ein Kind denn dann verlässt, ist eine schwierige Reise.
Der zweite Dezembersonntag eines jeden Jahres gibt diesen Eltern, Großeltern, den Geschwistern und den Angehörigen, Momente des geteilten Trosts, des Zuspruchs, sie sind nicht allein und betrauern ihre Verluste gemeinsam. Dieser besondere Sonntag spendet uns allen Trost. Und auch wenn ich kein verwandtes Kind zu betrauern habe, trauere ich jedoch jedes Jahr um die Kinder, die ich damals vor acht Jahren kennenlernte und die fast ausnahmslos in einem Zeitraum von 14 Monaten von uns gegangen sind. Ewiges Gedenken.
Am zweiten Dezembersonntag in der Kirche des UKM Münster zu sitzen, inmitten all dieser Menschen, Eltern, Geschwister, Großeltern, Angehörigen- von Nah und Fern, alle kommen zusammen, um in einem Moment der Solidarität- Wir sind nicht allein- gemeinsam ihrer Kinder zu gedenken, gemeinsam zu singen, gemeinsam der Andacht zuzuhören, gemeinsam -Arm in Arm- zu weinen, gemeinsam zu beten. Ich bin seit dem zweiten Dezembersonntag vor acht Jahren ein Teil dieser Solidarität und bin jedes Jahr aufs Neue zu Tränen gerührt. Alle, bekannt oder unbekannt , liegen sich einfach in den Armen und haben das größte Verständnis füreinander- und DAS meine Lieben- DAS ist mit Abstand das emotionalste Gefühl, das ich nicht in Worte fassen kann.
An diesem Sonntag sitze ich nie allein in der großen UKM Klinik, ich sitze mit einer guten Freundin. Sie ist seit fast 20 Jahren dort ehrenamtlich engagiert und hat über die Jahre unzählige Familien auf dieser Reise begleitet und ist auch heute noch für sie da. Eine Freundin mit einem großen Herzen und Mitgefühl. Wir sitzen also letztes Jahr nebeneinander, um uns herum lauter Familien, halten uns in den Armen und weinen zusammen, sind sichtlich gerührt und bewegt von den Andachtsworten, wir wissen: Wir sind nicht alleine. Es ist so ein wunderbares Gefühl, teil dieses Trauerprozesses zu sein, denn jeder, ob angehörig oder nicht, ist Teil des Ganzen.
An einem jeden zweiten Sonntag im Dezember, bin ich sehr emotional, denke einmal mehr an die schönen Momente, die ich mit den Kindern der Onko Münster, teilen durfte. Sie ließen mich an ihrem Leben teilhaben, an den schönen und unschönen Momenten, an den fröhlichen und traurigen Tagen, an lebensfrohen Tagen und an sehr ängstlichen Tagen. Ich bin dankbar, dass ich Teil dieser Runde sein darf. Wir können das alle sein. Zündet mit mir gemeinsam eine Kerze an und gedenken wir heute einmal mehr in dieser lauten, hektischen Welt, diesen Kindern, meiner persönlichen Helden.
Ich wünsche euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und lasst uns, uns auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben besinnen. Unsere Gesundheit, dass wir alle zusammen sein können, dass die Liebe und das Licht in uns einkehrt und uns der Geist der Weihnacht Kraft für die herausfordernden Tage gibt, die uns noch bevorstehen.
Eure Katerina